Workshop with JFK
- Holger Köchel
- 27. Sept.
- 9 Min. Lesezeit
Zwei Tage in den Straßen von Stuttgart

Am Freitag, dem 19.09 und Samstag, dem 20.09. 25 war ich mit Jens F. Kruse zu einem 1:1-Street-Fotografie-Workshop verabredet. Zwei Tage intensiver Austausch, zwei Tage fotografischer Input, zwei Tage mit spannenden Begegnungen, zwei Tage mit fruchtbaren Gesprächen, zwei Tage voller anspruchsvoller Fotografie liegen hinter mir. Mit diesem blog-post möchte ich euch gerne ein wenig daran teilnaben lassen.
Für mich war es mein erster 1:1 - Workshop und ich war schon sehr gespannt darauf, was ich in diesen knapp zwei Tagen von meinem fotografischen Mentor wohl lernen würde.
Jens war schon etwas mehr als eine Woche hier in Süddeutschland, da er ganz in der Nähe von Ludwigsburg in einer Ausstellung einige seiner Bilder zeigte. Schon an dem Wochenende der Eröffnung war ich mit Jens und einigen anderen Street-Fotografen auf einem entspannten Foto-Walk in Stuttgart unterwegs. Mit dabei waren noch einige Mitglieder des neuen Stuttgarter Kollektivs „Kesselobjektive“, Andrea Klein von unserer SPuM - Gruppe sowie Antje König aus Freiburg, die in der oben genannten Ausstellung auch einge ihrer Bilder zeigte. Organisiert wurde der Walk von Jürgen Pösse vom Kunstverein Markgröningen, der auch die Ausstellung maßgeblich mit kuratierte und durchführte. Doch das nur am Rande.

am Freitagnachmittag treffen wir uns also in Stuttgart und begannen unseren Workshop erst einmal bei strahlendem Sonnenschein auf der Terrasse eines Cafés und besprachen, wie wir die nächsten zwei Tage gestalten wollen. Dabei besprachen wir auch einige Bilder von meinem Urlaub in Tunesien. Bei unseren Ausflügen dort gelangen mir auch einige gelungene Aufnahmen. Mich interessierte natürlich, was Jens zu dazu sagen hatte. Einen Blog-Post darüber findet ihr hier.
Zu jedem Workshop gehört natürlich auch das ein oder andere Erinnerungsfoto. In diesem oben nimmt man uns etwas verzerrt in dem Spiegel wahr. Etwas verzerrt wird auch gerne mal die Realität durch das Auge und die Linse eines Street-Fotografen dargestellt, um damit für konstruktive Verwirrung beim Betrachten der Bilder hervor-zurufen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Bild hier unten.

Auf dem Bild sieht man den Kopf eines jungen Mannes, der scheinbar von einem Lichtstrahl durchbohrt wird. Auf den ersten Blick ist es sehr verwirrend und man fragt sich vielleicht wie dieses Bild wohl entstanden ist. Erst bei einer genauerer Betrachtung sieht man das Gitter und kommt vielleicht auf die Idee, dass das ein Plakat ist, das an einem Gitter irgendwo an der Straße hing. Ich habe das Foto dann in der Nachbearbeitung gedreht, um so den Kopf des jungen Mannes besser in Position zu haben und den Lichtstrahl von links unten nach rechts oben durch das Bild laufen zu lassen.
In den letzten Monaten hatte ich schon zwei Bilder aufgenommen, in denen eine Person von einem Lichtstrahl sozusagen getroffen oder durchbohrt wird. Insofern ist dies das dritte Bild und es könnte dann wohl der Anfang einer Serie sein.
Dieses Foto ist ein schönes Beispiel dafür, wie subjektiv die Wahrnehmung doch sein kann. Möglicherweise wäre wohl niemand auf die Idee gekommen dieses Motiv auf genau diese Art und Weise aufzunehmen. Und das ist ein faszinierender Aspekt der Fotografie: Es gibt unendlich viele Motive und dazu noch unendlich viele weitere Möglichkeiten die Motive in Szene zu setzen.

Hier sehen wir den Moment, in dem ich das obige Foto geschossen habe. Sehr schön finde ich, dass Jens immer mal wieder auf den Auslöser gedrückt hat, während ich meinerseits am Fotografieren war. So sieht man hier die einigermaßen triviale Szene und oben eben die künstlerische Umsetzung.

Der zweite Tag des Workshops begann relativ abrupt mit der Aufforderung von Jens doch mal diesen Mann hier im Bild um ein Street- Portrait zu bitten. So musste ich schon recht früh aus meiner Komfortzone heraus. Anfangs zierte er sich noch und wollte nur mit einem von uns aufs Foto. Doch dann erlaubte er mir, ein paar Fotos von ihm aufzunehmen. Ich habe mir dann eines mit seiner Frau oder Freundin herausgesucht. Ich finde, es ist eine interessante Gegenüberstellung von Stil und Coolness und einer gewissen Normalität, die die Frau ausstrahlt.

Auch hier machte Jens ein paar making-of-Aufnahmen und diese hier zeigt schön, wie man doch auch mit fremden Menschen in ein interessantes Gespräch kommt, wenn man erst mal eine Bindung hergestellt hat. Wir gaben den beiden dann noch unsere Karten und ich bot Ihnen an, Ihnen die Bilder zukommen zu lassen, wenn Sie mich anschreiben.

Dieses Foto hier ist zugegebenerweise nicht besonders originell. Die Geschichte dahinter ist allerdings umso lustiger. Ich sah diese Lichtsituation, die ich sehr interessant fand, denn ich habe eine Serie am Laufen, die ich „Shadow Trees“ genannt habe. Insofern hatte ich die Idee, diese Baum-Schatten zusammen mit menschlichen Motiven, die dann vielleicht vorbeilaufen, abzulichten. Es kam dann aber anders.
Denn dieser junge Mann da fragte mich, ob ich ihn vor jener Wand fotografieren wolle. Das tat ich dann auch. Danach kamen wir ins Gespräch und er sagte uns, dass er hier in Stuttgart gestrandet ist. Er hatte am Abend zuvor mit ein paar Kollegen in München gefeiert und sich dann in den Zug zu seiner Heimatstadt gesetzt. Unterwegs ist er eingeschlafen und wachte dann in Stuttgart auf. Unterwegs hatte er noch seine Geschäfts-Tasche mit Laptop und anderen wichtigen Papieren verloren. Nach ein paar Anrufen bei dem Zugpersonal stellte sich heraus, dass sie gefunden wurde. Jetzt wartete er noch eine halbe Stunde auf seine Tasche mit dem Laptop, um dann wieder zurück nach Hause zu fahren. Er meinte, so eine Situation erfordere auch schon zu einer frühen Morgen-Stunde ein Bier. Auch ihm gaben wir dann noch unsere Karten und verabschieden uns von ihm. Ein paar Tage später schickte er mir tatsächlich eine E-Mail und fragte mich, ob ich ihm das Bild schicken könne. Das war schon die zweite lustige Begebenheit innerhalb einer Stunde unseres heutigen Workshop – Tages.

Nur ein paar Meter weiter Richtung Hauptbahnhof kamen wir an dieser Ecke vorbei, die durch die vielen Reisenden sehr belebt war. Unaufhörlich strömten die Menschen von links nach rechts und rechts nach links durch diesen recht engen Durchgang. Ich fand, das war eine sehr schöne Situation, um mit Layern zu arbeiten. So schoss ich eine ganze Reihe von Fotos, von denen jenes hier das meiner Meinung nach ansprechendste ist. Ich sah diesen Mann eine ganze Weile lang bewegungslos mitten in der Szene stehen und wollte dann weitere menschliche Elemente möglichst ausgewogen in dem Frame verteilen. Mir gefällt es, wie sowohl von links als auch von rechts ein Pärchen ins Bild läuft. Und auch in relativer Mitte des Bildes im Hintergrund ist ein weiteres drittes Pärchen zu sehen. Diese drei Pärchen stehen meiner Meinung nach in schönem Kontrast zu dem einsam in der Mitte postierten Mann und rahmen ihn sozusagen ein.

Wieder nur einige Schritte weiter entstand dieses Bild. Jens wies mich auf die Fensterfront im Hintergrund hin. In dieser spiegelten sich die vorbei laufenden Menschen und dahinter saßen auch wiederum Menschen in dem Warteraum. Durch eine weitere Glaswand um die Ecke rum liefen auch noch Personen vorbei. Hier ließe sich doch auch mit Ebenen arbeiten. Während ich mit einigen Variationen beschäftigt war, lief mir doch dann gerade dieser junge Mann im Vordergrund ins Bild und das war dann auch mal wieder der Zufall, der einem Street Fotografen manchmal zu einem guten Foto verhilft. Leider ist der junge Mann etwas unscharf und ich bin mir nicht sicher, ob das jetzt ein Aussch(l)uss-Kriterium oder eben doch ein interessantes Element des Bildes ist. Spannend finde ich es allemal hauptsächlich wegen dem Blick und der Geste des jungen Mannes im Vordergrund aber auch wegen den verschiedenen Layern sowohl vor als auch in der Glaswand.

Wir liefen dann weiter durch den Bahnhof und kamen an den Gleisen vorbei. Hier sah Jens diese beiden Personen mitten in der Menge reglos stehen. Ich hatte dann die Idee mit einer langen Belichtungszeit zu arbeiten und dadurch die stehenden Personen von den vorbei Hastenden abzuheben um so die Bahnhofshektik einzufangen.

Bei diesem Spot hier auf dem Schlossplatz war natürlich die Farbe Gelb der Trigger. Das gelbe Plakat, das gelbe Kinder –Auto, der gelbe Aufsteller im Hintergrund sowie die gelbe Schrift am Stuttgarter Museums – Kubus und als Sahnehäubchen noch obendrauf der gelbe Helm des Mädchens, der, und das ist das herausragende Element des Bildes, genau in dem Moment vom Kopf fiel, als ich abdrücke. Das alles macht dieses Motiv zu einem gelungenen Street – Foto!

Wir verließen dann die Königstraße und den Schlossplatz und schlenderten hinüber auf den Karlsplatz, auf dem wie jeden Samstag ein Flohmarkt stattfindet. Dort angekommen stürzten wir uns in das Getümmel. Wir ließen unsere Blicke schweiften auf der Suche nach weiteren interessanten Motiven.
Ein Klassiker auf Flohmärkten sind natürlich immer die vielen Spiegel, die dort angeboten wurden und oftmals interessante Blickwinkel freigeben. Ich sah also diesen jungen Mann, wie er zu dem Spiegel ging und sich dort interessiert begutachtete. Es scheint, als ob er mit irgendetwas in seinem Gesicht oder an seinem Mund nicht zufrieden ist und den Spiegel dazu benutzte, mal genauer anzuschauen. Der klassisch anmutende Spiegel und der in ihm geframte Kopf des jungen Mannes, so wie seine bemerkenswerte Mimik erschienen mir hier ein Foto wert.

Dieses Bild zeigt unsere dritte interessante Begegnung an diesem heutigen Tag. Hier sieht man Jens, wie er einem jungen Mädchen erklärt, wie eine analoge Kamera funktioniert. Wir sahen diese junge Dame dort an diesem Stand mit der Kamera stehen und schwuppdiewupp waren wir fachsimpelnd vertieft in einem Gespräch mit ihr und dem älteren Verkäufer-Ehepaar. Das Mädchen erklärte uns, dass die Kamera 35 € kosten würde. Und wir waren der Ansicht, dass das ein sehr guter Preis wäre. Ganz am Ende stellte sich aber witzigerweise heraus, dass der Aufkleber mit der Zahl 35 auf dem Objektiv nicht der Preis der Kameras, sondern natürlich die Brennweite des Objektives war. Die Kamera und das ganze Zubehör war natürlich um ein Vielfaches teurer und das Mädchen konnte den Apparat dann eben doch nicht kaufen. Nichtsdestotrotz war es eine weitere lustige schöne Begegnung auf dem Flohmarkt an diesem Tag.
Auf unserem weiteren Weg machten wir dann noch eine kurze Pause in einem wunderschönen kleinen Café unter dem Tagblattturm in der Nähe vom Rotebühlplatz. Dort tranken wir eine Kleinigkeit und mir fielen die mehr oder weniger hässlichen Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf. Als ich mich über eines davon ausließ, hörte dies ein junger Mann neben uns und erklärte mir, dass dieses Gebäude mit seiner Fassade damals eine architektonische Meisterleistung war. Wir kamen mit dem jungen Mann, natürlich einem Architekten, ins Gespräch, und er sagte uns, dass er demnächst Stuttgart verlassen würde, um nach Düsseldorf und Köln zu ziehen, um dort in einem Architekturbüro eine neue Stelle anzutreten. Ganz zufrieden war er wohl mit seiner Entscheidung nicht, er wollte wohl lieber in Stuttgart bleiben, aber trotzdem war es ein interessantes Gespräch und unsere vierte schöne Begegnung heute.

Wir verließen den Flohmarkt und flanieren die Tübinger Straße Richtung Marienplatz. Am Tag zuvor hatten wir erfahren, dass an diesem Samstag ein israelisch – palästinensisches Freundschafts-Fest stattfinden sollte. Allein diese Tatsache ist ja schon spannend und deswegen wollten wir dieses Fest besuchen, um dort vielleicht auch einige interessante Aufnahmen zu erhaschen. Als wir dort ankamen, stellte sich das Fest aber als sehr kleines Zelt da, in dem einige junge Leute einen Vortrag hielten. Mehr war leider nicht los. Auf dem Rückweg, schon gegen Abend, kamen wir an der Kirche St. Maria vorbei und ich sah diese schönen Lichtreflexe auf dem Boden und der Fassade. Wir warteten also ein paar Minuten um zu schauen, ob sich noch ein schönes Motiv ergäbe. Ich machte einige Aufnahmen und dieses Bild von dem Pärchen, dass einerseits in schwarz und weiß im Partnerlook unterwegs war und dann auch noch schön symmetrisch durch diese Szene schritt, gefiel mir dann auch deswegen so gut, weil der Mann und vor allen Dingen die junge Dame schön von der Abendsonne ins Szene gesetzt wurde.

Und so stehe ich hier recht cool ins Bild gesetzt von Jens erfüllt von diesen zwei Tagen intensiver Streetfotografie. Was ist also mein Resümee?
Ich habe diese zwei Tage wirklich sehr genossen! Oft entstehen meine Bilder nicht, wenn ich alleine unterwegs bin, sondern in Begleitung meiner Familie. Das ist natürlich ein Handikap! Umso mehr weiß ich es zu schätzen mit einem Fotografen unterwegs gewesen zu sein, den ich sehr schätze und der mich die letzten zwei Jahre in seiner Gruppe immer wieder unterstützt, gefordert und auch gefördert hat. Diese zwei Tage waren für mich nicht nur sehr schön, sondern auch wirklich anstrengend! Und das meine ich natürlich nur im positiven Sinne! Denn wir waren wirklich permanent im Austausch, diskutierten über Herangehensweisen, Gedanken während des Fotografierens, den Lichtverhältnissen, dem Finden von und das Arbeiten an Szenen und vielem mehr. Ich schaute Jens dabei über die Schulter und er mir, währenddessen er mir viele wertvolle Ratschläge gab und ich mich auch schlussendlich ein Stück weit bestätigt fühlte, auf einem guten fotografischen Weg zu sein. Das motiviert mich umso mehr, in meiner Streetfotografie nicht stehen zu bleiben, sondern mich kontinuierlich ich immer weiter zu entwickeln.
Ich kann jedem ambitionierten Street – Fotografen nur empfehlen das ein oder andere Mal an einem Workshop, ob alleine oder in einer Gruppe, teilzunehmen. Die intensive fotografische Arbeit an solchen Tagen ist wirklich wertvoll, umso angenehmer wird zudem ein Workshop natürlich auch, wenn man sich mit dem Fotografen versteht und/oder ihn schätzt!
So verbleibe ich mal wieder euch freundlich grüßend
Euer Holger
Danke für den feinen Bericht unserer gemeinsamen Zeit ... jfk